„Wir sitzen das mit den Jugendlichen aus“. Renate Haslinger und ihre KollegInnen vom Lernservice und Lehrlingscoach in Wiener Neustadt haben einen langen Atem.
Nennen wir ihn Herrn Gérard. Wie der französische Filmschauspieler. Wie wir den gekriegt haben, dachte ich mir; Halleluja. Für sein Alter viel zu groß und die Medikamente viel zu stark. Echte Hämmer. Am Anfang ist der ständig eingeschlafen. Im nächsten Augenblick war er wieder total aggressiv und hat auf irgendwelche Möbel hin gedroschen. Irrsinnig unkooperativ. Sein Großvater war ein Lehrer - Oberlehrer Sowieso. Alte Schule. Und der hat ihm - sobald er einen Fehler machte - eine drüber gezogen. Das merkte man. Herr Gérard ist immer zusammen gezuckt, wenn irgendwas nicht richtig war. Der Bursch hatte das ganze Menü schon hinter sich.
Wir haben zwei Monate nur gearbeitet, um eine Vertrauensbasis aufzubauen. Solche Kinder reagieren auf alles extrem, zerlegen dir die Bude und hauen alles kurz und klein. Die sind therapieresistent und versuchen alles Mögliche, um dich zu herauszufordern. Für Herrn Gérard waren wir die x-te Stelle, durch die er durchgezogen wird. Und eines hat man ihm angesehen: "Da. Bleib. Ich. Nicht. - Und ich weiß, was ich tun muss, um hier raus zu kommen.“ Er hat nicht Recht behalten, das Blatt hat sich gewendet.
Irgendwann kneißen die Kinder, das ist die Endstation. Hier kann ich mich aufführen wie ich will - die sitzen das aus mit mir. So war es dann auch. Wir haben eine Vertrauensbasis aufgebaut und eine gute Mischung aus TrainerInnen gefunden. Auch die Medikamente wurden besser eingestellt. Am Vormittag haben wir ihn beschult, um ihm zu einer ExternistInnenprüfung zu verhelfen. Und nach einem Jahr hat er die Prüfungen geschafft. Am Schluss ist der so daher gekommen; kerzengerade, stolz auf seinen Erfolg, Kapuze herunten, helles Gesicht: „Hallo, Grüß euch!“ Da geht mir immer noch die Gänsehaut auf. Jetzt beginnt er sogar eine Kochlehre im Herbst.
Es gibt Jugendliche, die bis zum Schluss nicht kooperieren. Und da sind dann auch unsere Grenzen. Da können wir nicht weiter, auch wenn es ein Kind zwischen allen Stühlen ist. Es bleibt - und das finde ich auch sehr schön - auf der Selbständigkeit basierend und auf der Selbstverantwortung der Jugendlichen. Darum hat mir so gefallen wie der junge Herr Gérard sich so aufgerichtet hat. Er hat sein Zentrum gefunden und eine Stelle.
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