Manchmal ist notwendig, gegenüber den BewohnerInnen Grenzen zu setzen. Von dieser Gratwanderung erzählt Gerda Riedl.
Herr W. hat eine psychiatrische Diagnose. Zu uns ist er direkt aus dem Krankenhaus gekommen. Zunächst war er noch durch die Tagesklinik medizinisch versorgt. Wir haben das sehr positiv gefunden, aber es hat leider nicht lange gehalten. Er hat die Behandlung abgebrochen.
Dadurch hat sich sein Zustand zusehends verschlechtert. Immer wieder gab es im Haus Schwierigkeiten. Laufend haben sich andere BewohnerInnen über ihn beschwert. Es ging um nächtliches Brüllen, Türenschlagen sowie das Trommeln mit Esslöffeln gegen fremde Wohnungstüren. Die Situation war nicht mehr tragbar, wir wussten uns nicht mehr zu helfen. Unseren Wunsch, irgendwo in medizinische Betreuung zu gehen, hat er nicht angenommen. Die Frage stand im Raum, wenn es hier nicht funktioniert, wo funktioniert es dann. Was können wir tun?
Dann haben wir einen Versuch gestartet. Wir haben ihm die Bedingung gestellt, einmal im Monat eine ärztliche Bestätigung zu bringen. Ob er dann die Medikamente nimmt, die ihm der Arzt verschreibt, bleibt seine Sache. Aber er soll uns zeigen, dass er bereit ist, ein Stück zur Lösung beizutragen. Das erste Mal hat es nicht funktioniert. Und dann hat es begonnen zu funktionieren. Zunächst hat er noch versucht, die Bestätigung nicht zu bringen und wir haben dann auch eine Konsequenz gesetzt. Nämlich eine für ihn sehr harte; wir haben ihm ein vorübergehendes Hausverbot erteilt. Wenn er die ärztliche Bestätigung bringt, dann kann er wieder kommen.
Ich habe noch vor Augen, wie er uns von sich aus den Schlüssel ins Büro gebracht hat. Dann habe ich ihn ein paar Tage nicht gesehen. Wie er zurückgekommen ist, hat man ihm angesehen, wie ihn das befristete Hausverbot mitgenommen hat. Er hatte diese paar Tage in einem Müllraum übernachtet und bei seinem Bruder, zu der er eine sehr schwierige Beziehung führt.
Doch er hat es geschafft, wieder zurück zu kommen und er war heilfroh wieder hier zu sein. Das mit den Bestätigungen funktioniert im Moment sehr gut. Es gibt sogar mehr Bestätigungen als erforderlich. Wir hatten auch eine Bewohnerbefragung, bei der er sehr berührend angegeben hat, wie wichtig ihm die vier Wände sind und dass er jedem im Haus wünscht, hier bleiben zu können.
Wir wollen die BewohnerInnen hier nicht kontrollieren. Die Person muss sich in ihrer Wohnung wohlfühlen und zurecht kommen. Wenn andere BewohnerInnen in Mitleidenschaft gezogen werden und sich nicht selbst wehren können, müssen wir einschreiten. Aber wir beaufsichtigen nicht den Lebensstil der BewohnerInnen. Das ist eine Gratwanderung.
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